BOR: Unbekanntes Gebiet mit Spitzenparametern

Bouldergebiete mit Felsbrocken aus fein strukturiertem Sandstein gibt es bei uns nicht viele. In Bor bildet dieser Sandstein zudem Griffe verschiedener Formen, von Löchern bis zu kleinen Leisten. Trotzdem herrscht hier Ruhe. Wahrscheinlich wegen der Abgelegenheit dieses Hügels mit seinen 1.400 Bouldern. Lesen Sie mehr darüber, und nehmen Sie Rücksicht auf die zauberhafte Natur, wenn Sie sich dorthin aufmachen.

"In Bor findest du rundliche Formen, fußballgroße und winzig kleine Löcher und Leisten."

Das Bouldern in der Gegend um Bor hat seit den 1980er Jahren stark zugenommen. Bor war jedoch auch für viele einheimische Kletterer viele Jahre lang ein unbekanntes Gebiet. Es waren eher Touristen und Radfahrer, die von diesem Hügel wussten, nicht Kletterer. Durch Bor verläuft die Grenze zu Polen, und nur ein kleiner Abschnitt auf tschechischer Seite steht Kletterern offen. In Polen, im Nationalpark Gory Stolowe, ist das Klettern leider gänzlich verboten. Auf der "anderen Seite" bleibt so ein Bereich der Größe Fontainebleaus für Kletterer geschlossen.

"Bor bietet über 1.400 Routen zum Klettern."

Jeder der sechs Sektoren auf der tschechischen Seite von Bor hat seine eigene Atmosphäre. Ein hiesiges Spezifikum sind rundliche Formen, häufig fußballgroße Löcher in den Felsen, kleine Löcher und Leisten. An diesem Sandsteinfelsen mit feiner Kornstruktur findet jeder von uns seinen Stil. Man findet hier technische Passagen fürs Reibungsklettern und kraftzehrende Überhänge auf Routen, die von Kletterern aus Tschechien und dem nahen Polen erschlossen wurden. Die schön geformten, in den moosbewachsenen Wäldern herumliegenden oder in Hängen verkeilten Felsbrocken (wie in bekannten österreichischen und schweizerischen Gebieten) und eine große Anzahl genutzter Randwände bieten über 1.400 Kletterrouten. Auf ihre Kosten kommen hier Kinder und Anfänger (kaum irgendwo sieht man so viele Felsbrocken, die zu einem leichten Aufstieg einladen), aber auch erfahrene Kletterer und Profis, denen Bor mehr als 350 Boulder mit Schwierigkeitsgraden über 7A und mehr als 140 Boulder über 7B+ anbietet. Die Boulder-Auswahl in Bor ist sehr vielfältig. Man findet leicht zu übersehende alte Boulder, für die eine schöne Bewegung oder ein kraftvoller Schritt vonnöten sind, sowie hohe Boulder, bei denen einem schon der bloße Anblick den Atem verschlägt.

 

Die Anfänge des Kletterns in Bor

 

"Bor, 2002: Alles war perfekt! Jede Kletteridee war sinnvoll und nichts war überflüssig."

Als ich 2002 zum ersten Mal nach Bor kam, gab es nur ein paar erschlossene Routen. Das Potenzial keines einzigen Boulders war wirklich genutzt. Wo immer ich hinschaute, bot es sich an, neue Routen zu setzen. Alles war perfekt! Jede Kletteridee war sinnvoll und nichts war überflüssig. Ich suchte mit Peter Maixner, einem Freund, der mir dieses Gebiet gezeigt hatte, nach neuen Routen. Wir wählten nur die klarsten und schönsten Boulder aus. Wenn uns die Ideen an einem Felsbrocken ausgingen, wechselten zum nächsten und so weiter. Auf diese Weise markierten wir etwa 50 Felsbrocken und etwa 250 Boulder.

Ein großer Ansturm auf die Gegend kam mit den Jungs um Andrej Chrastina und Jirous Přibil. Der größte und beständigste jedoch kam mit den Brüdern Stránik und ihrer Bande. So entstanden erste überhängende Boulder über 7C, erste 8A-Routen und ein paar unbestätigte 8B-Routen (Anm.: Damit meine ich nicht, dass alle überbewertet wurden, sondern eher unterbewertet – die meisten Boulder über 8A/+ wurden bislang nicht wiederholt, obwohl in letzter Zeit jede Menge starker Kletterer hier auftauchen). Ein Besuch in Bor kann oft zu einer leichten Frustration beim Kletterer führen, bietet aber immer ein tolles Klettererlebnis. 

 

Wann herrschen die besten Bedingungen in Bor

Wer auf Klettererfolge aus ist, sollte die Gegend im Nordosten der Tschechischen Republik eher im Herbst besuchen. Zu dieser Jahreszeit sind die meisten Felsbrocken, die an der Nordwand des Hügels herumliegen, bereits trocken und die Temperaten sind nicht nur für gut trainierte Jungs erträglich. Abgesehen von den allgegenwärtigen, beißenden Mikrofliegen ist es definitiv die beste Zeit, um nach Bor zu fahren. Der Winteranfang ist nur etwas für wirkliche Kältefreunde, die sich nach ein paar Traumprojekten sehnen - nicht jedes Jahr spielt jedoch das Wetter diesen selbstzerstörerischen Verrückten in die Hände. Manchmal bedeckt Schnee die meisten der rundlichen Felsbrocken. Dann bleibt nichts, als sich mit den Randwänden zufriedenzugeben. Abenteuerlustigen, Erlebnishungrigen und Familien mit Kindern empfehle ich einen Besuch im Sommer! Hohe Fichtenwälder beschatten einen großen Teil der Gegend, und plätschernde Quellen kühlen die heiße Sommerluft – pure Romantik, die man nur hier findet.

Der Weg zu den Felsbrocken

Der Zugang ist sowohl von tschechischer als auch polnischer Seite möglich. Auf tschechischer Seite ist der Weg etwas länger, auf polnischer dafür wesentlich umstrittener. In Polen gilt eine höhere Naturschutzstufe (Nationalpark), was auch Probleme mit dem Parken mit sich bringt. Beim Aufstieg von tschechischer Seite muss man nicht nur mit ganztägigem Klettern, sondern auch mit einem Wanderausflug rechnen – dafür braucht man keine Geldstrafen zu befürchten. Touristen können in Machovská Lhota parken, wo man auch Unterkünfte (vorausgesetzt, Sie halten sich an die Nachtruhe) und Plumpsklos findet.

 

Für Kletterer der beste Ort zum Leben

 

"Wem diese Region einmal gefällt, der ist verloren und findet als Kletterer nie einen besseren Ort zum Leben."

An freien Tagen können Sie weitere, nahegelegene Sandsteingebiete voller Boulder besuchen, z. B. Ostaš oder Standorte mit traditionellen Sportrouten fürs Seilklettern wie Teplické skály. Sie können sich aber auch einen ordentlichen Adrenalinstoß in Adršpach (Adersbach) holen oder sich in ein unendliches Abenteuer in den Wänden von Broumov stürzen. Wem diese Region einmal gefällt, der ist verloren und findet als Kletterer nie einen besseren Ort zum Leben. Allein die beliebtesten Routen zu klettern, würde mehrere Leben in Anspruch nehmen, und zwar nicht nur meines – und dabei habe ich noch genug Zeit, bevor man mich in die Kiste steckt.

Kletterführer

Jeder Kletterer hat eine andere Vorstellung von seiner Traumroute. Also empfehle ich euch nicht einen oder fünf konkrete Boulder, sondern verweise auf einen neuen Kletterführer, in dem die schönsten Boulder markiert sind. Ein übersichtliches Set von Piktogrammen bewertet Schönheit, Charakter und objektive Sicherheit aller Boulder. Mit dem Kletterführer in der Hand kann sich jeder Besucher sein perfektestes Stück selbst aussuchen. Möglichkeiten gibt es eineinhalbtausend!

Im Kletterführer findet sich auch ein markierter Bereich, zu dem der Zutritt verboten ist, weil es sich um ein Trinkwasserschutzgebiet handelt. Wir bitten euch daher, euch im Wald rücksichtsvoll zu verhalten und das Zutrittsverbot zum markierten Bereich zu respektieren.

Anm.: Im September 2018 veröffentlichten Jan Šolc und Lukáš Rendl den ersten umfassenden Kletterführer für Bor. Wir halten ihn für sehr gelungen. Euer Bücherregal mit Kletterliteratur könnt ihr beispielsweise hier erweitern: holdsmarket.com

 

Fotos: Oliver Vysloužil (boulder.sk)